18.09.-16.10.2021
"Metamorphosis of Bioism"
Kunstraum Villa Friede, Bonn, Germany
Der 1974 in der Ukraine geborene Künstler Aljoscha hat nicht nur ein beeindruckendes Œvre an Installationen, ortsspezifischen Interventionen, Skulpturen, Malerei, Zeichnung und Fotografie vorzuweisen, sondern gleich eine eigene Kunstrichtung etabliert: Bioismus oder Biofuturismus nennt er diese. Es geht Aljoscha in seinen Werken um den Versuch, neue Lebensformen, eine neue Ästhetik und ein zukünftig gegebenenfalls mögliches Leben zu erschaffen. Vom Betrachter wünscht er sich, dass jede seiner Arbeiten als eine potentielle Lebensform gesehen wird. Zunächst leblose Materie, trägt alles gemäß Aljoscha die Möglichkeit in sich, in Zukunft durch eine biologische Revolution lebendig zu werden.
Wir sehen hier inhaltlich eine enge Verbindung zwischen Kunst und Wissenschaft. Diese Verbindung ist auch optisch in den Arbeiten des Künstlers erfahrbar: kleinteilige Formen verdichten sich in seiner Malerei und Zeichnung zu Objekten. Fast wirkt es, als schaue man durch ein Mikroskop auf ein Präparat und taucht so in einen faszinierenden Mikrokosmos ein.
Eher Makro- als Mikro Kosmen sind die raumgreifenden Installationen aus Acrylteilen, für die der Künstler inzwischen international bekannt ist. Eines seiner jüngsten und großformatigsten Werke ist die Installation Miraculous Draught in der Kathedrale St. John the Divine, New York, wo er im gleichen Jahr den renommierten Pollock-Krasner Preis erhielt. Bei dieser Art von Installationen eignen sich Kirchenschiffe oder Schlösser bestens für eine fast unlimitierte Arbeit. Die inhaltliche Aussage und der einzigartige Umgang mit Raum kann jedoch genauso durch eine kleinformatige Arbeit getroffen werden.
Wie sehr sich in seinem Werk Wissenschaft, Leben und Kunst durchdringen, zeigen auch die Interventionen Aljoschas. Diese reichen von einem Schulprojekt in Kenia über die künstlerische Aktion auf dem Maidan während der Demonstrationen bis hin zu Werken, die er – wie bunte Gewächse - in die zerstörten und beseitigten Lenin- und Marx-Statuen integriert und ihnen so einen bioethischen Kontext gibt. Egal, wo Aljoscha sich gerade befindet: seine Werke und Interventionen durchdringen das Leben, wo es stattfindet: im Wohnwagen einer Sexarbeiterin genauso wie in Kirchen, am Tiber Ufer bei den Obdachlosen ebenso wie in Konzerthäusern und Industriehallen.
Er vermeidet strenge, geometrische Formen. Geraden, Kreise und Quadrate sucht man in Aljoschas Arbeiten vergebens, da diese - bioevolutionär betrachtet - lebensfern sind. Die Natur bringt derartiges einfach nicht hervor. Somit wären diese Formen wohl auch nicht lebensfähig, wenn eines Tages die Wissenschaft es schaffen sollte, unbelebte Materie lebendig zu machen. Da haben die deviativen, fast außerirdischen Werke Aljoschas hingegen beste Möglichkeiten, sich durch die ständige Abweichung als Grundprinzip alles Lebendigen zu manifestieren.
Julia Ritterskamp
Auszug aus dem Katalog "métamorphose-à-trois
Leiko Ikemura - Gao Yutao - Aljoscha"