Westdeutsche Zeitung 24. März 2009
Kunst wuchert und wächst
von Michaela Plattenteich
Außergewöhnliche Skulpturen zeigt der Ukrainer Aljoscha im Kunstverein. Er will Ateliers, die biologischen Laboratorien ähneln.
Krefeld.
Der ganze Raum ist verändert. Filigrane Gebilde, die an Korallen erinnern, befinden sich auf dem Boden und an den Wänden. Sie sind weiß, blau, schwarz, manchmal sogar rosa. Fast stellt sich die Frage, ob es sich um lebendige oder künstliche Materie handelt.
„Biofuturism“ hat der Künstler Aljoscha seine Schau im Krefelder Kunstverein genannt. Er wurde 1974 in der Ukraine geboren, lebt in Düsseldorf, wo er die Kunstakademie besucht hat. Vergangenes Jahr wurde er in Valencia mit dem ersten Preis in der Kategorie Skulptur prämiert.
Wie viele Künstler ist Aljoscha von der modernen Wissenschaft fasziniert, speziell von der Biologie und ihren Forschungen über Zellstrukturen und deren komplexe Aufbauten. Auch er baut seine Skulpturen aus winzigen Einzelteilen zusammen. Acryl in unterschiedlicher Konsistenz bildet das Material, aus dem in langen Arbeitsprozessen fein verästelte Gebilde unterschiedlicher Größe entstehen.
Manchmal sind es nur kleine Wucherungen, die plötzlich aus der Wand zu wachsen scheinen, dann wieder Raum einnehmende Skulpturen, die auf einem Sockel oder direkt auf dem Boden platziert werden. Eine Vielfalt von Verformungen, die an Naturphänomene erinnern, aber eine ganz eigene Ästhetik entwickeln.
Aljoscha bedient sich des uralten künstlerischen Prinzips der Täuschung, trotzdem dürfen seine Werke nicht als Nachahmung verstanden werden. Der Künstler will nicht bewusst täuschen, er begreift seine Arbeiten als eigenständigen, lebendigen Teil komplexerer Zusammenhänge. Sein Wunsch für die Zukunft ist eine immer engere Verbindung von Kunst und Wissenschaft, bei der Ateliers biologischen Laboratorien ähnlich werden.
Unabhängig von diesen futuristischen Überlegungen kann man auch den virtuosen Umgang eines Künstlers mit dem Material bewundern. Er zieht die filigranen Acrylstrukturen auch über größere Bildflächen, die eine lebendige, plastische Oberfläche bekommen. Aljoscha ist auch ein großartiger Zeichner, wie eine Serie von Blättern im Erdgeschoss eindrucksvoll unter Beweis stellt. Auch hier sind die zarten amorphen Gebilde das Thema, werden feinste Verästelungen in unglaublicher Präzision allein mit dem Bleistift wiedergegeben.
Diese Zeichnungen entstehen meist nach den plastischen Arbeiten, der Künstler bezeichnet sie als „Quintessenz“. Aljoschas Arbeiten zeichnen sich durch filigrane Schönheit aus, hinter der viel mehr steckt, als es auf den ersten Blick erscheint.
Foto: A. Bischof